Cornies, Johann

geb. am 20. Juni 1789 in Bärwalde bei Danzig, Westpr., gest. am 13. März 1848 auf dem Vorwerk Jushanle bei Ohrloff (Ukraine), Russland; Unternehmer und Reformer.

Die Familie des Johann Cornies wanderte 1805 in die südliche Ukraine aus und ließ sich 1806 in Ohrloff, einem Dorf in der Mennonitenkolonie an der Molotschna, nieder. 1811 heiratete Johann Cornies, und 1812 kaufte er eine Vollwirtschaft in Ohrloff, die er bis zu seinem Lebensende bewohnte.

Cornies war der führende Unternehmer seiner Gemeinde. 1812 zog er eine große Schafherde zu kommerziellen Zwecken auf gepachtetem Land hoch, und für die nächsten dreißig Jahre erwarb er über 30 000 ha Land. 1816 kaufte er das regionale Monopol für den Handel mit Spirituosen, einer zweiten wichtigen Einnahmequelle. Um 1841 wurde der Wert seines Besitzes auf zwei Millionen Rubel geschätzt, er war einer der reichsten Männer in der Südukraine.

1817 ernannte ihn die mennonitische Molotschna-Kolonie zum Landvermesser, und 1818 wurde er zum Vertreter in die Kommission berufen, die neue Einwanderungen von Mennoniten aus Preußen zu beaufsichtigen hatte. Bis zum Ende seines Lebens war Cornies ununterbrochen mit Gemeindeangelegenheiten befasst.

Der Dienst am Gemeinwesen brachte Cornies mit dem Fürsorgekontor für ausländische Ansiedler Neurusslands in Kontakt, der staatlichen Behörde, die für die Verwaltung der Mennoniten verantwortlich war. 1824 ernannte ihn dieses Komitee zum Vorsitzenden der mennonitischen Schafgesellschaft in der Molotschnaja, 1830 zum Vorsitzenden des „Vereins zur fördersamen Verbreitung des Gehölz-, Garten-, Seiden- und Weinbaus“ und 1836 schließlich zum Vorsitzenden des mächtigen Vereins zur Erhöhung der Landwirtschaft und des Gewerbes (kurz: Landwirtschaftlicher Verein). 1838 nahm er eine Einladung an, dem überaus wichtigen Gelehrtenkomitee des Ministeriums der Staatsdomänen beizutreten. Aus dieser Position heraus machte er mennonitische Errungenschaften in dem Journal des Ministeriums und in anderen wichtigen Publikationsorganen bekannt. So förderte er den Ruf der Mennoniten als fortschrittliche Landwirte und vorbildliche russische Untertanen.

Über die Forst- und Landwirtschaftsvereine verfolgte Cornies auf aggressive Weise wirtschaftliche Reformen, indem er die Vier-Felder-Wirtschaft, das Umpflügen des Brachlandes, Bewässerung und Düngung einführte. Auch förderte er schon früh mennonitische Unternehmen zur Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen. Er beaufsichtigte einen schnell anwachsenden Getreideanbau und eine Reduktion der Schafzucht in den späten 1830er und 1840er Jahren. So reagierte er auf die sich verändernden internationalen Märkte. Mennoniten, von Cornies angeführt, wurden führende Erzeuger von Agrarprodukten, und die sich einstellende Akkumulation von Kapital legte die Grundlagen für ihre zentrale Rolle im Industrialisierungsprozess, dem Mühlenwesen und dem intensiven Getreideanbau in der südlichen Ukraine des späteren 19. Jahrhunderts.

Cornies war in hohem Maße umstritten. Die Einwanderung von 1818 brachte Pietisten in die religiös-konservative Molotschna-Kolonie, und Cornies, der mit pietistischen Ansichten sympathisierte, half, den Ohrloffer christlichen Schulverein zu gründen (1820) und den Molotschna-Zweig der russischen Bibelgesellschaft (1821).

Religiöse Spannungen führten zu einem heftigen Streit zwischen Cornies und dem Gemeindeältesten Jacob Warkentin, der in den 1830er und 1840er Jahren die konservative mennonitische Opposition gegen die wirtschaftspolitischen Neuerungen von Cornies anführte. Die Konservativen widersetzten sich der Macht des Landwirtschaftlichen Vereins, in dem sie einen Agenten der weltlichen Obrigkeit sahen. Besonders verärgert waren sie darüber, dass Cornies darauf bestand, alle mennonitischen Landbesitzer müssten die Richtlinien des Landwirtschaftlichen Vereins zum Anpflanzen von Bäumen und zur Nutzung des Landes strikt befolgen. Die Konservativen widersetzten sich ebenfalls der eigenmächtigen, dominierenden Art des Vorsitzenden sowie den Strafen, die der Landwirtschaftliche Verein den Landbesitzern auferlege, die sich nicht nach seinen Leitlinien richteten. 1842 intervenierte das Fürsorgekomitee, bestätigte die Autorität von Cornies und löste die Gemeinde Warkentins auf.

Von 1842 an beherrschte Cornies das Leben der Mennoniten in der Molotschnaja, obwohl er zutiefst unpopulär war. Am Ende seines Lebens war er mehr gefürchtet als geliebt, erst im späten 19. Jahrhundert begannen die Mennoniten, die Bedeutung seines Werkes zu erkennen. Heute wird Cornies als ein progressiver Anführer gewürdigt, der das Leben der Mennoniten im Zaristischen Russland stark geprägt hatte.

Schriften (Auswahl)

Kratkii obzor polozhenilia Nogaiskikh tatar, vodvorennykh v Melitopolskom uezde Tavricheskoi gubernii, in: Teleskop 33, 1836. - Zahlreiche Artikel zu verschiedenen Reformvorhaben in Zeitschriften.

Literatur

Harvey L. Dyck, Russian Servitor and Mennonite Hero: Light and Shadow in images of Johann Cornies, in: Jorunal of Mennonite Studies 2, 1984, 9–43. - David Epp, Johann Cornies: Züge aus seinem Leben und Wirken, Ekaterinoslav 1909. - Ingrid I. Epp and Harvey L. Dyck, (Hg.), The Peter J. Braun Russian Mennonite Archive, 1803–1920, Toronto 1996. - Heinrich Görtz, Die Molotschnaer Ansiedlung: Entstehung, Entwicklung und Untergang. Steinbach, Manitoba, 1950/51. - Dmytro Myeshkov, Die Schwarzmeerdeutschen und ihre Welten 1781–1871, Essen 2008. - John R. Staples, Cross-Cultural Encounters on the Ukrainian Steppe: Settling the Molochna Basin, 1784–1861, Toronto 2003. - James Urry, None But Saints: The transformation of Mennonite Life in Russia, 1789–1889, Winnipeg 1989. - N. V. Venger, Mennonitskoe predprinimatel'stvo v usloviiakh modernizatsiei, klanom I rossiiskim obshchestvom (1789–1920), Dnepropetrovsk 2009.

John R. Staples

 
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