Dyck, Peter J.

geb. am 4. Dezember 1914 in Lysanderhoeh, Am Trakt, Russland, gest. am 4. Januar 2010 in Scottdale, Pa., USA; Pastor, leitender Mitarbeiter des Mennonite Central Committee (USA), Direktor des MCC-Büros für Europa von 1957 bis 1967 in Frankfurt/M., Deutschland.

Peter J. Dyck war Sohn der Eltern Johannes J. und Renate Dyck (geb. Mathies) und emigrierte mit der Familie 1927 nach Saskatchewan, Kanada. Am 26. Oktober 1947 wurde er zum Prediger in seiner Heimatgemeinde Tiefengrund Mennonite Church in der Nähe von Laird, SK, ordiniert. 1944 hatte er Elfrieda Klassen →(Dyck) geheiratet. Beide lernten sich als Hilfswerksarbeiter des →Mennonite Central Committee (MCC) in Birmingham, England, kennen. Sie hatten zwei Töchter und fünf Enkelkinder.

Peter Dyck besuchte die University of Saskatchewan, das Bethel College, in North Newton, Kans., und schloss das Grundstudium am Goshen College, Goshen, Ind., mit dem Bachelor of Arts ab. Danach besuchte er das Mennonite Biblical Seminary in Chicago und erwarb den Grad eines Masters of Divinity am Bethany Theological Seminary in Chicago. 1949 wurde er von Königin Juliane der Niederlande zum Ritter geschlagen, womit seine Verdienste in der Hilfswerksarbeit gewürdigt wurden. 1974 wurde ihm die Würde eines Ehrendoktors von der University of Waterloo, Ont., als einem bewunderten Redner verliehen, der für seine Hilfsbereitschaft gegenüber leidenden Menschen und als leidenschaftlicher Anwalt des Friedens bekannt war. 1993 erhielt er den Goshen College´s Culture for Service Alumni Award.

Peter Dyck war Prediger in der Unified Church, Sudbury, Ontario (1940–1941), in der Eden Mennonite Church, Moundridge, Kansas (1940- 1947) und in Kingview Mennonite Church, Scottdale, Pennsylania (1983–1985). In der Arbeit für das Mennonite Central Committee (MCC) diente er der Kirche mehr als 35 Jahre. In einem Schiffskonvoi reiste er während des Krieges im Juni 1941 nach England. Seine Haupttätigkeit bestand in Hilfswerksarbeit in und um Birmingham, wo er ein System mobiler Kantinen für Leute, die nicht genug zu essen hatten, einrichtete und ein Heim für Jungen in dem Vorort Taxel Edge leitete. Nach seiner Heirat 1944 arbeiteten Peter und Elfrieda Dyck zunächst in England zusammen, dann in den Niederlanden und seit 1949 im besetzten Deutschland.

Die MCC-Projekte wurden gewöhnlich gemeinsam mit den lokalen Kirchen durchgeführt. In Birmingham waren es die →Quäker, mit denen sie zusammenarbeiteten. In Holland haben sie sehr bald Kontakt zur →Algemene Doopsgezinde Societeit aufgenommen und ihren offiziellen Vertretern in der Singel Kerk zu Amsterdam. Im August 1945 wurden die Dycks und niederländische Kirchenführer auf die mennonitischen Flüchtline aus der Sowjetunion im Südosten Hollands aufmerksam. So begann eine mehr als vierjährige Saga für die Dycks und das MCC, indem sie tausenden von Flüchtlingen aus Russland, Polen und Preußen jetzt in Holland, Westdeutschland und Dänemark halfen. Sie sorgten für Notversorgung an Nahrungsmitteln, für Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Daran schlossen sich die Bemühungen um die Aufenthaltserlaubnis für diese Flüchtlinge in den neuen Ländern an. Die niederländische Regierung, die von der ADS und dem MCC bedrängt worden war, gewährte den Flüchtlingen einen „Menno-Pass“, der ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht vorsah.

Im kriegszerstörten Europa war es schwer, mehr als 12 000 notleidende Menschen wieder anzusiedeln. Das MCC arbeitete hart daran, eine große Anzahl von Flüchtlingen in den USA und Kanada unterzubringen. Einer bedeutsamen Anzahl gelang es, in Kanada einzureisen, aber längst nicht allen, die dorthin wollten. Das MCC verhandelte mit Paraguay und Uruguay in Südamerika, ihre Länder einer beträchtlichen Anzahl von Einwanderern zu öffnen. Die Geschichte des dramatischen Auszugs 1947 aus Berlin ist oft erzählt worden. Peter und Elfrieda waren Schlüsselfiguren beim Zustandekommen dieser „Flucht“ und begleiteten selbst 5616 Flüchtlinge auf vier Seereisen zwischen 1947 und 1948 nach Südamerika.

Peter Dyck kehrte 1949 mit seiner Familie nach Nordamerika zurück. Nach einem erfolgreichen Pfarrdienst in Moundridge, Kansas, nahm Peter Dyck einen Ruf nach Europa als Direktor des MCC mit dem Büro in Frankfurt am Main an. Er wurde auch zum Repräsentanten der Beziehungen zwischen den europäischen und nordamerikanischen Mennoniten ernannt. So begann er, Strategien zu entwickeln, die den Kontakt mit den Mennoniten wieder herstellen sollten, die in der Sowjetunion geblieben waren. Dyck koordinierte auch die kirchlichen Beziehungen unter den Mennoniten zwischen Ost und West.

Von 1957 bis 1978 führte er die Aufsicht über den andauernden, wenn auch geringer werdenden Arbeitseinsatz des MCC in Europa. Gleichzeitig kümmerte er sich um den Hausbau der sogenannten →Paxboys in Deutschland und Österreich. Dieses Programm wurde zu einem bäuerlichen Entwicklungsprogramm in Mazedonien und auf Kreta, Griechenland, erweitert. Dyck entwickelte respektvolle und ungewöhnlich warmherzige Beziehungen zu orthodoxen Priestern und einigen Bischöfen auf Kreta.

Die Zusammenarbeit mit deutschen und niederländischen Mennoniten wurde fortgeführt, ebenso mit den nordamerikanischen Historischen Friedenskirchen (den Quäkern, der Kirche der Brüder und den Mennoniten) und dem Internationalen Versöhnungsbund, nachdem gemeinsam Eirene (International Service for Peace) gegründet worden war. Eirene entwickelte mit Hilfe Peter Dycks einige Programme für Marokko und Algerien.

Das europäische MCC-Büro stand im Mittelpunkt des Internationalen Besucheraustausches und des späteren Inter-Menno-Exchange-Programms. Unter Elfrieda Dycks Leitung begann das Büro, einen Paketdienst zu organisieren, um Nahrungsmittel und christliche Literatur an einzelne Personen in der Sowjetunion zu versenden. Das Büro unterhielt auch einen Suchdienst mit einer anwachsenden Namensliste von russischen Mennoniten, die keinen Kontakt zu ihren Verwandten im Westen hatten.

Peter Dyck organisierte eine Reihe von Reisen, die zu Mennoniten in der Sowjetunion Brücken bauen und später auch deren Abgesandten Reisen in den Westen ermöglichen sollten. 1960 kehre er das erste Mal wieder nach Russland zurück und unternahm dann sechs weitere Reisen dorthin. Einige dieser Reisen wurden gemeinsam mit baptistischen Vertretern aus den USA und Kanada, von der Baptist World Alliance (BWA) vermittelt, durchgeführt. Er reiste mit Gruppen in die Sowjetunion und später mit russischen Baptisten nach Kanada und in die USA.

Der krönende Höhepunkt dieser Beziehungen zwischen dem All Union Council Evangelical Christians/Baptists (AUCECB, Allunions Christen/Baptisten), dem BWA und dem MCC war die Übersetzung der siebzehnbändigen Daily Study Bible of the New Testament von William Barclay in die russische Sprache (Scottdale, Pa., 1978–1987). Das MCC finanzierte die Übersetzung, den Druck und Versand von mehr als 17.000 Exemplaren zwischen 1978 bis 1987.

Peter Dyck nahm auch an zahlreichen Friedensgesprächen vom Frankfurter Büro aus teil. Er besuchte einige →Puidoux-Konferenzen von Vertretern der Historischen Friedenskirchen und europäischen Vertretern evangelischer Landeskirchen. Er vertrat auch die europäischen und nordamerikanischen Mennoniten in den Gesprächen (1964), die sich bald zur Christlichen Friedenskonferenz in Prag entwickelten sollten.

Das MCC bat Peter Dyck, das europäische Büro ins Hauptquartier nach Akron, Pa., zu verlegen. Das sollte ein weiterer Schritt auf dem Wege sein, die Präsenz des MCC zu verringern, nachdem die europäischen Mennoniten sich von dem Trauma des Zweiten Weltkriegs erholt hatten. Dyck erhielt einen neuen Auftrag als MCC-Direktor für Kirchliche Beziehungen. Von Akron aus fuhr er fort, die Ost-West-Beziehungen bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1981 zu pflegen. So vertrat er beispielsweise europäische und nordamerikanische Mennoniten auf dem AUCECB-Kongress in Moskau 1974. Er arbeitete mit mennonitischen Gruppen in Europa an einem Programm, neuen Einwanderern aus der Sowjetunion, Umsiedler genannt, hilfreich zur Seite zu stehen. Er erinnerte sich mit tiefer Befriedigung an mehrere Reisen mit nordamerikanischen Chören, die in baptistischen und mennonitischen Gemeinden Land auf und Land ab in der Sowjetunion auftraten.

Als Direktor der Kirchlichen Beziehungen reiste Dyck immer wieder durch die USA und Kanada. Dabei zeigte er zusätzlich zu seinen Ansprachen oft seine selbstproduzierten Filme. Schon 1947 hatte er seinen ersten Film vom Wiederaufbau und den Flüchtlingen in Europa gezeigt. In den 1970er Jahren produzierte er Filme über das MCC und die Ortsgemeinden in Teilen Afrikas und Paraguays. Er erwarb sich einen weithin bewunderten Ruf als Erzähler von Geschichten aus der Zeit vom 16. bis zum 20. Jahrhundert und konzentrierte sich dabei hauptsächlich auf solche Geschichten, die er und seine Frau erlebt hatten. Er war ein aktives Mitglied der Akron Mennonite Church, bevor er nach Scottdale, Pa., überwechselte. Verschiedentlich arbeitete er noch in dem General Conference Mennonite Board of Christian Service und in der Commission of Overseas Ministries (COM) mit.

Während des Ruhestands schrieben Peter und Elfrieda Dyck einen reichhaltigen Bericht mit dem Titel Up from the Rubble (1991) über die Wiederansiedlung tausender mennonitischer Flüchtlinge, die vom Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Er veröffentlichte auch eine Meditation über das Altern in Würde, Getting Home before Dark (2000), und vier Erzählbände für Laien und andere Leser.

Peter Dyck war wohl die bekannteste Gestalt des 20. Jahrhunderts unter den Mennoniten und verkörperte auf einmalige Weise die reiche und leidenschaftliche Geschichte dieses gewaltsamen Zeitalters. In seinen theologischen Überlegungen betonte er das Dienen als sein leitendes Motiv. Dienen „im Namen Christi“ war für Dyck „Leben für andere“ und ein „Zeugnis vom Gott der Liebe und des Friedens“. Er glaubte, dass es „unsere vornehmste Aufgabe sei, mit Gott in allem, was dieser vorhat, zusammenzuarbeiten“ (A Theology of Service, 263).

Schriften (Auswahl)

A Theology of Service, in: Mennonite Quarterly Review XLIV, 3, 1970, 262–280. - Mit Elfrieda Klassen Dyck, Experiences in Mennonite Central Committee Service in Europe 1941–1949. Interviews mit Robert S. Kreider, 1988 (unveröffentl.). - A Leap of Faith, Scottdale, Pa., 1990. - Mit Elfrieda Dyck, Up from the Rubble: The Epic Rescue of Thousands of War-ravaged Mennonite Refugees, Scottdale, Pa., 1991 (dt. Auferstanden aus Ruinen, Kirchheimbolanden 1994). - Getting Home before Dark, Scottdale, Pa., 2000.

Literatur

Cornelius J. Dyck (Hg.), The Mennonite Central Committee Story, 3 Bde., Scottdale, Pa., 1980. - Robert S. Kreider und Rachel Waltner Gossen, Hungry, Thirsty, A Stranger: The MCC Experience, Scottdale, Pa., 1988. - T. D. Regehr, Mennonites in Canada 1939 – 1970, Bd. 3: Mennonites in Canada, Toronto, Ont., 1996. - J. D. Unruh, In the Name of Christ: A History of MCC, Scottdale, Pa., 1952.

John A. Lapp

 
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