Concern group

Die Bewegung der Gruppe, die den Namen Concern (Anliegen) trägt, war ein Netzwerk junger nordamerikanischer Mennoniten. Sie hatten im Laufe ihrer Freiwilligenarbeit in Werken der Mission und Diakonie oder des Studiums in Europa während der 1950er Jahre in ihrer Kritik an Struktur und Führungsstil der Altmennoniten in →Nordamerika zueinandergefunden. Ihre kritische Haltung und ihre vom frühen Täufertum inspirierten Visionen übten einen wichtigen Einfluss auf eine neue Generation kirchenleitender Persönlichkeiten in den 1960er Jahren aus.

1. Anfänge und Aktivitäten

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam eine beträchtliche Anzahl nordamerikanischer Mennoniten nach Europa. Ebenso wie Mission und Studium brachte die Hilfswerksarbeit, die vom →Mennonite Central Committee (MCC) besonders wirkungsvoll unter dem →Pax-Programm organisisiert wurde, viele in die Schweiz und nach Deutschland. Für die Generation junger nordamerikanischer Mennoniten war dieser Zeitabschnitt in Europa eine einschneidende Erfahrung.

Das galt besonders für eine Gruppe junger Männer, die durch ihre Arbeit und ihr Studium miteinander verbunden waren, eine Gruppe, die schließlich unter dem Namen „Concern“ bekannt wurde. Auf diese Gruppe übte der europäische Kontext der Nachkriegszeit eine vielfältige Wirkung aus. Zunächst bedeutete das Studium der Reformationsgeschichte eine Wiederbegegnung mit den Täufern des 16. Jahrhunderts. Dann wurden die Concernmitglieder mit europäischen Mennoniten und anderen Christen in einer Zeit zunehmender Ökumenizität bekannt. Diese Begegnung mit Mennoniten, die keinerlei nordamerikanische Kulturmerkmale aufwiesen, stellte nicht nur die Berechtigung dieser Merkmale, sondern auch die Befürchtungen in Frage, der nordamerikanische Kontext könnte auf unberechtigte Weise in das europäische Mennonitentum eingreifen. Schließlich waren einige Mitglieder der Concernbewegung dem Einfluss eines weiter ausgreifenden christlichen Denkens ausgesetzt, während sie bei Karl →Barth, Emil Brunner, Oscar Cullmann und anderen studierten.

2. Konferenzen und Broschüren

Am 15. April 1952 trafen sich sieben nordamerikanische Männer, die in Europa studierten oder arbeiteten, in Amsterdam, um dort Vorlesungen zur Geschichte der niederländischen Taufgesinnten zu hören und ihre eigenen Beiträge zu einer Vielzahl theologischer und historischer Themen miteinander zu diskutieren: Calvin Redekop, David Shank, Irvin B. Horst, John Howard →Yoder, John W. Miller, Orley Swartzentruber und Paul →Peachey. Diese Konferenz führte zu weiteren Zusammenkünften in den folgenden Jahren und fand ihren Höhepunkt in der Schriftenreihe Concern, die von 1954 bis 1971 erschienen ist. Dieses Publikationsorgan hatte weitere Autoren über die ursprünglichen Gruppenmitglieder hinaus zusammengeführt und zu einer radikalen Kritik an der Arbeit der vorangegangenen Generation mennonitischer Kirchenführer geführt und markierte einen besonderen Wendepunkt im Leben der Gruppenmitglieder.

3. Die Kritik der Concern group

In ihren Publikationen und in ihrer privaten Korrespondenz brachten die Concernmitglieder zwei miteinander zusammenhängende Enttäuschungen zum Ausdruck. Erstens kritisierten sie den zentralistischen und hierarchisch strukturierten Führungsstil derjenigen, unter denen sie beim MCC und in anderen mennonitischen Organisationen arbeiteten. Zweitens wird das Programm des institutionellen Aufbaus kritisiert, das die vorangehende Generation der Kirchenführer vom Gemeindeleben als dem Ort täuferischer Identität, wo es eigentlich hingehörte, auf die denominationale Ebene verschoben hatte.

Zentralistischer Führungsstil

Die Mitglieder der Concern group wuchsen in einer Zeit heran, die als Renaissance des Täufertums in der nordamerikanischen Mennonite Church verstanden und von einflussreichen Anführern mit visionärer Kraft wie Harold S. →Bender, Orie O. →Miller und anderen beherrscht wurde. Diese Anführer schufen ein ideologisch breit angelegtes und institutionelles Unternehmen in der Mennonite Church während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, um eine bestimmte mennonitische Identität zu bewahren und zu stärken. Bender, Miller und andere halfen, eine Reihe von Schulen und Colleges zu gründen und zu stärken, ebenso gründeten sie Seminare für den Predigernachwuchs, brachten neue Publikationen auf den Weg und stellten das MCC auf die Beine. Sie bewahrten auch die von Gewaltlosigkeit geprägte Friedensposition der frühen Täufer während des Zweiten Weltkriegs mit Hilfe eines alternativen Hilfswerksprogramms, des →Civilian Public Service (CPS), und errichteten Gemeindeorganisationen, die den ländlichen Lebensstil bewahren sollten, wie die Mennonite Community Association und Mennonite Mutual Aid. 1927 sprach Harold S. Bender in der ersten Ausgabe von The Mennonite Quarterly Review die Jugend der Mennonite Church an: „die kommende Generation in der Mennonite Church sollte eine sorgfältig gebaute, gut geknüpfte Organisation von Aktivitäten erhalten“ (Harold S. Bender, To the Youth of the Mennonite Church, 1).

Die Männer, die sich in der Concernbewegung zusammenfanden, waren die Erben der Anführer jener Generation. Viele von ihnen wurden von Bender und anderen für das Studium und die Arbeit in Europa ausgesucht und gefördert, um Positionen in verschiedenen Schulen und Institutionen übernehmen zu können. Dennoch war die Concernbewegung darüber beunruhigt, dass diese „gut geknüpfte Organisation von Aktivitäten“ mit der Kirche selbst vermischt wurde, so dass sie die Basis dieses Projektes der übergemeindlichen Institutionalisierung in Frage stellte.

Denominationale Strukturen

1954 waren die meisten Mitglieder dieser Gruppe aus Europa nach Nordamerika zurückgekehrt. Die Concern Pamphlet Series bot der Gruppe aber die Gelegenheit, ihre Kritik an den denominationalen Strukturen ihrer Kirche zu schärfen (→Denomination). Die zweite Concern-Nummer, die 1955 erschien, setzte sich für eine verstärkte Akzentuierung der lokalen Gemeinde im Gegensatz zu solchen denominationalen Strukturen ein. Paul Peachey bestimmte den Ton dieser Broschüre und stellte im Vorwort mit allem Nachdruck fest: „Denominationale Strukturen präsentieren sich selbst immer mehr als eine Entstellung des Evangeliums“ (Paul Peachey, 3). Er charakterisierte die Gemeinde vor Ort als die „unmittelbare Gemeinschaft der Glaubenden“, die auf „die Bewegung des Heiligen Geistes“ antwortet und „Früchte der Nachfolge, der Gemeinschaft, des Gebets, der Predigt und des Miteinanderteilens“ trägt und im Sinne der Universalen Kirche „jegliche Form der Organisation überschreitet“ (Paul Peachey, Spirit and Form, in: ebd., 23). In einem eigenen Essay schrieben John H. Yoder und John W. Miller: „Die Kirche mag eigene Organisationen haben, um Mission, Erziehung, Publikationen und Hilfswerke beispielsweise zu verwalten, aber in keinem Fall ist die Kirche eine Organisation“ (John H. Yoder und John W. Miller, Biblicism and the Church, ebd., 56 und 58).

Die Concernbewegung hatte nichts gegen Institutionen im Allgemeinen einzuwenden, sie hat nur darauf hingewiesen, dass einige Entwicklungen in der Mennonite Church die zentrale Stellung der lokalen Gemeinde im Leben der Glaubenden zu verdunkeln begannen. Eine dieser Entwicklungen war die Professionalisierung des Dienstes. Wo vorher die pastoralen Aufgaben von Mitgliedern der Gemeinde wahrgenommen wurden, beschleunigte jetzt das Entstehen von Seminaren die Professionalisierung des Dienstes. In den Augen der Concern group war diese Konzentration der pastoralen Pflichten in einer einzigen Person ein Verrat an dem Konzept des „Priestertums aller Glaubenden“. Ebenso meinten die Concernmitglieder, dass die impliziten und expliziten Realitäten kultureller Grenzziehung und Ethnizität die täuferische Überzeugung von der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft entstellten (z. B. sei die Einsegnung von Babys im Gemeindegottesdienst im Grund nichts anderes als eine Kindertaufe unter anderem Namen). Die Mitglieder der Concern group meinten, dass alle denominationalen Stukturen problematisch seien, sofern sie die Ortsgemeinden als Träger und Bewahrer täuferischer Identität ersetzten. Darüber hinaus bestand die Concern group auf einem offenen Zugang der Glaubenden zum →Abendmahl und kritisierte die denominationale Beschränkung der Teilnahme am Abendmahl auf der →Mennonitischen Weltkonferenz 1952 in Basel (Schweiz), weil das eine Missachtung der sich örtlich versammelnden Gemeinde bedeutete. Bei Harold S. Bender stieß diese Kritik auf taube Ohren.

4. Wirkungen

Die wichtigste Wirkung, die von der Concernbewegung ausging, war die Einsicht in die Radikalität der täuferischen Vision, besonders in die zentrale Stellung der lokalen Gemeinde im Leben der Glaubenden. Als Hauskirchen und Bewegungen kleiner Gruppen in den 1960er Jahren Fuß zu fassen begannen, wurde diese Entwicklung in Nordamerika von der Concernbewegung unterstützt (z. B. die Gründung von Reba Place in Evanston, Illinois), eine Gemeinde, die heute noch existiert. Zusätzlich nahmen Concernmitglieder verantwortliche Positionen in der Mennonite Church an; auf die Institutionen, die sie eigentlich im Auge hatten, konnten sie jedoch keinen Einfluss nehmen. Aber der machtvolle Einfluss von Männern wie Harold S. Bender, Orie O. Miller und anderer ließ ohnehin allmählich nach, und das führte dazu, dass das entstehende Vakuum als Antwort auf die Concernkritik mit stärker korporativ geprägten Entscheidungsstrukturen aufgefüllt wurde. Doch eine einschlägige Wirkung blieb aus. Gefördert wurde im Grunde nur die zentrale Stellung der Institutionen; nicht eigentlich gestärkt wurde die Stellung der von der Concern group idealisierten Gemeinde gegenüber den überregionalen Institutionen.

Bibliografie

J. Lawrence Burkholder, Concern Pamphlets Movement, in: Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online (www.gameo.org), 1989. - Harold S. Bender, To the Youth of the Mennonite Church, in: Mennonite Quarterly Review 1, 1927, S 1. - Nathan Hershberger, Power, Tradition, and Renewal: The Concern Movement and the Fragmented Institutionalization of Mennonite Life, in: Mennonite Quarterly Review 86, 2, 2013, 155–186. Albert N. Keim, Harold S. Bender 1897–1962, Scottdale, PA, und Waterloo, Ont., 1998 (Kap. 21: Bender and the Concern Group, 450–471). - Paul Peachey, Preface, in: Concern 2, 1955, 1. - Ders., Spirit and Form in the Church of Christ, in: Concern 2, 1955. 3–25. - David Shank und John Howard Yoder, Biblicism and the Church, in: Concern 2, 1955, 26–69. - Paul Toews, The Concern Movement: Its Origins and Early History, in: Conrad Grebel Review 8, Nr. 2, 1990, 109–126. (Erinnerungen von sechs oder sieben ursprünglichen Mitgliedern der Concern group).

Nathan Hershberger

 
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