Fast, Heinold

geb. am 17. März 1929 in Emden/Ostfr., gest. am 22. November 2015 in Emden; Pastor der nordwestdeutschen Mennonitengemeinden (Emden, Leer-Oldenburg, Norden und Gronau), langjähriger Vorsitzender der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden, Täuferforscher.

Heinold Fast wurde als jüngstes Kind des Ehepaars Pastor lic. theol. Abraham →Fast (1886 – 1962) und Luise Fast, geb. Händiges (1887 – 1977), in Emden geboren. Er erlebte dort die schweren Bombenangriffe auf die Stadt während des Zweiten Weltkriegs, wurde mit der Familie nach Sögel im Hümmling (Emsland) evakuiert und wuchs nach dem Krieg in Leer auf. 1948 legte er dort das Abitur ab, immatrikulierte sich im Sommersemester 1948 an der Theologischen Fakultät der Universität in Bonn und setzte das Studium im Wintersemester 1948 am mennonitischen Bethel College in North Newton, Kansas, fort. Im Wintersemester 1949 wurde er an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Göttingen immatrikuliert und wechselte im Sommersemester 1952 an die Universität Heidelberg über. Dort legte er am 29. April 1954 das Fakultätsexamen ab und wurde nach einem längeren Studienaufenthalt in Zürich, wo er den Rat des Reformationshistorikers Fritz Blanke suchte, am 23. Februar 1957 in Heidelberg zum Dr. theol. mit einer kirchengeschichtlichen Dissertation über Heinrich Bullinger und die Täufer promoviert. Sein Betreuer war Heinrich Bornkamm. Veröffentlicht wurde die Dissertation in der Schriftenreihe des Mennonitischen Geschichtsvereins 1959. Am 6. April 1957 übernahm er das Pfarramt seines Vaters in den nordwestdeutschen Mennonitengemeinden →Emden, Leer, Norden und Gronau/Westf. und betreute sie bis zum Eintritt in den Ruhestand 1992. Seit 1963 war er mit Frauke Meyer verheiratet. Das Ehepaar hatte einen Sohn und eine Tochter. Die Familie lebte bis 1994 in Emden.

Es war Heinold Fast mit besonderem Einfühlungsvermögen gelungen, zwischen der am deutschen Idealismus orientierten Predigtweise seines Vaters, auf die sich die Gemeinde eingestellt hatte, und der modernen Theologie, wie sie in der Nachkriegszeit an deutschen Universitäten gelehrt wurde, zu vermitteln und die ostfriesischen Gemeinden wieder enger an die übrigen Gemeinden der →Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden heranzuführen. Mehr als dreißig Jahre arbeitete er seit 1958 im Vorstand der Vereinigung mit, davon elf Jahre als ihr Vorsitzender (1967 – 1973 und 1986 – 1991). Seinem diplomatischen Geschick ist zu verdanken, dass sich die Gemeinden im Süden und im Norden Deutschlands, die sich frömmigkeitsgeschichtlich und theologisch unterschiedlich entwickelt hatten, allmählich einander annäherten und sich schließlich in der →Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland zusammenfanden. Auch sorgte er dafür, dass sich die deutschen Mennoniten dem Friedenszeugnis der Täufer öffneten, wie es von nordamerikanischen Mennoniten in den so genannten →Puidoux Theological Conferences mit Vertretern anderer Friedenskirchen und evangelischer Landeskirchen von 1955 bis 1962 diskutiert wurde. John Howard →Yoder, den tonangebenden Friedenstheologen unter den Mennoniten Nordamerikas, hatte er bereits während seiner Recherchen für die Dissertation in der Schweiz kennen gelernt und sich der Interpretation des von Konrad →Grebel und Michael →Sattler repräsentierten Täufertums angeschlossen, die ihre Mitte in der pazifistischen „Politik Jesu“ fand. In diesem Sinne vertrat er die Mennoniten auf der Prager Friedenskonferenz 1961 und arbeitete von 1965 bis 1972 ehrenamtlich als Sekretär der →Puidoux-Konferenzen, auf denen über ein angemessenes Friedenszeugnis in der Gegenwart diskutiert wurde. Aus dieser Arbeit ist seine Sammlung verstreuter Beiträge zu einer Friedenstheologie (1982) hervorgegangen. Von 1972 bis 1979 gehörte Heinold Fast dem Präsidium der →Mennonitischen Weltkonferenz an und setzte sich für die Belange der europäischen Mennonitengemeinden ein.

Weit über das deutsche Mennonitentum hinaus ist er auch mit seinen Forschungen zum Täufertum bekannt geworden, vor allem mit der Quellensammlung zum Linken Flügel der Reformation (1962). Er hat die Szene der radikalen Reformation typologisch neu geordnet, und die Täufer, ganz im Sinne der traditionellen mennonitischen Forschungen der Schule Harold S. →Benders, scharf von den Schwärmern abgesetzt, so dass auch Melchior Hoffman, der Begründer des niederdeutschen Täufertums, nicht eigentlich zu den Täufern gezählt wurde. Wichtige Texte jeder Gruppierung wurden in modernisierter Sprache herausgebracht. Eine bleibende Erinnerung hat er sich aber mit der kritischen Edition der Quellen zur Geschichte der Täufer in der Ostschweiz (1973) und des von ihm und J. F. Gerhard →Goeters entdeckten Kunstbuchs in der Berner Bürgerbibliothek gesichert, das im Umkreis Pilgram Marpecks kompiliert wurde und wohl den geistlichen Weg des Kompilators Jörg Probst Maler dokumentiert – beides vorbildlich recherchierte und editierte Sammlungen historischer Quellen von bleibendem Wert. Die Ausgabe des Kunstbuches konnte er selber nicht mehr zum Abschluss bringen, sie ist von Gottfried Seebaß und Martin Rothkegel zu Ende geführt (2007) und von John D. Rempel 2010 ins Englische übertragen worden.

In seinen aktiven Jahren hat Heinold Fast den Weg der Täuferforschung genau verfolgt und als Mitschriftleiter der Mennonitischen Geschichtsblätter (1970 – 1992) sowie als Vorsitzender des →Mennonitischen Geschichtsvereins (1974 – 1992) dafür gesorgt, dass das Interesse der Mennoniten an ihrer Geschichte auf dem jeweils neusten Stand der Forschung gepflegt wurde. In diesem Sinne hat er eine Zeit lang federführend in der Täuferaktenkommission des Vereins für Reformationsgeschichte mitgearbeitet (er gehörte ihr bis 2009 an) und sich mit eigenen Beiträgen immer wieder in den Gang der Forschung eingeschaltet (z. B. mit dem Aufsatz über die Taufanschauung der Täufer (1966) oder über den Kompilator des Kunstbuchs: Vom Amt des „Lesers“ zum Kompilator des so genannten Kunstbuches. Auf den Spuren Jörg Malers (1997). Auch hat er Verständnis für diejenigen gezeigt, die eine grundsätzliche Revision der Täuferforschung einläuteten und fortan nicht mehr von einem monogenetischen, sondern einem polygenetischen Täufertum sprachen (→Täuferforschung). Er hat sie wohlwollend-kritisch begleitet und auf die Durchlässigkeit innerhalb einzelner Bewegungen hingewiesen (s. James M. Stayer, Schweizer Brüder, 2016). Doch er selbst blieb dabei, einen Kern dessen, was „die“ Täufer eigentlich wollten, herausarbeiten zu können, so vielfältig und heterogen sie oft in Erscheinung getreten waren. Eindrucksvoll ist seine Analyse der Predigtstörungen, mit denen frühe Täufer paradoxerweise auf den Weg des Friedens aufmerksam machten: Reformation durch Provokation (1975), und noch eindrucksvoller ist seine theologische Gesamtdeutung des frühen Täufertums unter dem Titel Die Wahrheit wird euch freimachen (ebenfalls 1975). Besonders hier wird deutlich, wie kirchenhistorische Analyse schließlich zu einer theologischen Interpretation des Täufertums, die für die Gemeinden in der Gegenwart relevant wird, führen kann. Inspiriert wurde Heinold Fast nicht nur vom Friedenszeugnis der frühen Täufer in der Schweiz, um den Auftrag der Kirche in friedloser Zeit zur Geltung zu bringen. Angeregt wurde er auch von dem Bemühen der Täufer, worauf John H. Yoder ihn schon früh aufmerksam machte, sich vom Sinn des christlichen Glaubens im Gespräch miteinander Rechenschaft abzulegen. Danach richtete er seine Predigtweise und seine Jugend- und Gemeindearbeit aus, ebenso seine Mitarbeit in den übergemeindlichen Gremien. Er wollte mithelfen, denjenigen, die sich an die Täufer im Aufbruch der Reformation des 16. Jahrhunderts erinnern, eine Zukunft in veränderter Zeit zu eröffnen – gelegentlich in kritischer Wende gegen Fehlentwicklungen in der Geschichte seiner eigenen Konfession. Ein weiteres Zeichen seines historisch-theologischen Interesses hat er mit seiner ehrenamtlichen Leitung der Johannes a Lasco Bibliothek (Große Kirche in Emden) von 1965 bis 1986 gesetzt, einer Forschungsbibliothek für reformierten Protestantismus. Dort befindet sich auch sein Nachlass.

Den Ruhestand verbrachte er seit 1994 in Norden und seit 1996 im benachbarten Berum. Als die Krankheit fortschritt, die ihm das Gedächtnis raubte, lebte er seit 2006 in einem Pflegeheim in Holtland bei Leer. Er starb nach einem kurzen Heimaufenthalt in Emden und wurde auf dem Friedhof der Neuen Kirche am 2. Dezember 2015 beigesetzt.

Bibliografie (Auswahl)

Bücher

Heinrich Bullinger und die Täufer. Ein Beitrag zur Historiographie und Theologie im 16. Jahrhundert. Schriftenreihe des Mennonitischen Geschichtsvereins 7, Weierhof (Pfalz) 1959. - Die Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden 1886 – 1961, Weierhof (Pfalz) 1961. - (Hg.), Der linke Flügel der Reformation. Glaubenszeugnisse der Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier, Bremen 1962. - (Hg), Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. 2: Ostschweiz, Zürich 1973. - Beiträge zu einer Friedenstheologie. Eine Stimme aus den historischen Friedenskirchen mit einem Vorwort von Jörg Zink, Maxdorf 1982. - Briefe und Schriften oberdeutscher Täufer 1527 – 1555. Das >Kunstbuch< des Jörg Probst Rotenfelder gen. Maler (Burgerbibliothek Bern, Cod. 464), bearb. von Heinold Fast und Martin Rothkegel, hg. von Heinold Fast und Gottfried Seebaß, Quellen zur Geschichte der Täufer, Bd. XVII, Gütersloh 2007. - Jörg Maler's Kunstbuch. Writings of the Marpoeck Circle, hg. von John D. Rempel, Classics of the radical Reformation 12, Kitchener, Ont., 2010.

Aufsätze

Die Eidesverweigerung bei den Mennoniten, in: Hildburg Bethke (Hg.), Eid, Gewissen, Treuepflicht, Frankfurt/M. 1965, 136–151. - Bemerkungen zu den Taufanschauungen der Täufer, in: Archiv für Reformationsgeschichte 77, Heft 1 und 2, 1966, 131–151. - Das Taufverständnis der stillen Täufer, in: Dieter Schellong (Hg.), Warum Christen ihre Kinder nicht mehr taufen lassen, Frankfurt/M. 1969, 37–51. - „Die Wahrheit wird euch freimachen“. Die Anfänge der Täuferbewegung in Zürich, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1975, 7–33. - Reformation durch Provokation. Predigtstörungen in den ersten Jahren der Reformation in der Schweiz, in: Hans-Jürgen Goertz ( Hg.), Umstrittenes Täufertum 1525 – 1975, 2. Aufl., Göttingen 1977, 79–110. - Zweckverband oder Bekenntnisgemeinschaft? Der Versuch eines Zusammenschlusses der deutschen Mennonitengemeinden 1932–1934, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1990/91, 139–153. - Vom Amt des „Lesers“ zum Kompilator des so genannten Kunstbuchs. Auf den Spuren Jörg Malers, Norbert Fischer und Marion Kobelt-Groch (Hg.), Außenseiter zwischen Mittelalter und Neuzeit (Festschrift für Hans-Jürgen Goertz), Leiden 1997, 187- 217.

Zu Heinold Fast

Abraham Fast, Aus unserem Leben. Aufzeichnungen zum Tage der goldenen Hochzeit am 22. Mai 1962 (Privatdruck), Emden 1962. - Peter J. Foth, Ein Doppelleben. Heinold Fast zum 60. Geburtstag am 17. März 1989, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1989, 7–9. - James M. Stayer, Der gelehrte Pastor – ein seltenes Exemplar. Laudatio anlässlich des 75 Geburtstags von Heinold Fast, in: Mennonitische Geschichtsblätter 61, 2004, 9–14. - Hans-Jürgen Goertz, In Memoriam Heinold Fast (1929–2015), in: Die Brücke. Täuferisch-mennonitische Gemeindezeitschrift 1, 2016, 39 f., und Mennonite Quarterly Review 90, Jan. 2016, 3–5. - James M. Stayer, Die „Schweizer Brüder“ – Auf der Suche nach einer neuen Definition. Selbstkritik und Dialog in der Täuferforschung, in: Mennonitische Geschichtsblätter 2016, 7–18. - Astrid von Schlachta, Von gelehrten Diskursen und dem Nutzen der Geschichte für die Gemeinden. Zum Tode von Heinold Fast (1929–2015), in: Mennonitische Geschichtsblätter 2016, 165–169.

Hans-Jürgen Goertz

 
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