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Philips, Dirk

geb. 1504 in Leeuwaarden (Friesland), Niederlande, gest. am 7. März 1568 in der Nähe von Emden, Ostfriesland; Täuferführer in den Niederlanden und Norddeutschland.

Der wichtigste Mitarbeiter, den Menno →Simons hatte, war Dirk Philips. Er spielte für ihn vergleichsweise die Rolle, die Philipp →Melanchthon für Martin →Luther spielte. Er verfasste theologische Abhandlungen, die weniger polemisch, dafür aber umso umfassender waren als diejenigen, des oft bekämpften Menno Simons. Dirk Philips war der jüngere von zwei Söhnen eines Priesters (wohl Heer Philippus), des Vikars von Cammingaburen. Offensichtlich erhielten beide Söhne eine gute Ausbildung. Dirk beherrschte die lateinische Sprache und verfügte auch über einige Kenntnisse der biblischen Sprachen (Griechisch und Hebräisch). Er war wohl in einen Mönchsorden eingetreten, wie einer Anschuldigung durch einen seiner späteren Gegner zu entnehmen ist, gehörte er dem Orden der Franziskaner an. Sonst ist aus seinem frühen Leben kaum noch etwas bekannt.

Dirk Philips taucht in den Quellen erst wieder 1533/34 während der radikalen Phase der melchioritischen Täuferbewegung in den Niederlanden und Norddeutschland auf. In dieser Zeit legte sich den Täufern, angeregt von der apokalyptischen Botschaft der Anhänger des Melchior →Hoffman, die Vision nahe, dass Christus in Kürze in der westfälischen Stadt →Münster wiederkommen werde, um dort das Reich Gottes wiederherzustellen. 1533 wurde Hoffmans eher zurückhaltende Führung von Jan Matthijs übernommen, der damals Boten in die niederländischen Orte aussandte, um die Gläubigen zu taufen und sie darauf vorzubereiten, die Stadt Gottes, nämlich Münster, zu unterstützen, jetzt unter der prophetischen Vollmacht des Jan Matthijs. Dirk Philips wurde von einem Sendboten des Jan Matthijs getauft, Peter Houtsager, einem der drei Täufer, die später in Amsterdam inhaftiert wurden, weil sie mit gezogenen Schwertern durch die Straßen der Stadt gelaufen waren und den Tag des Herrn ausgerufen hatten. Obbe →Philips war von den beiden anderen getauft worden. Während die Hinrichtung dieser drei Sendboten Obbe Philips zögern ließ, sich an der Militanz der münsterischen Täufer zu beteiligen, ist von Dirk Philips Reaktion auf diese Hinrichtung nichts bekannt.

Wir wissen, dass Obbe Philips seinen Bruder zum Ältesten ordinierte, aber wir wissen nicht, wann das geschah, obwohl es sicher zu sein scheint, dass es nicht lange nach dessen Taufe gewesen sein wird. Zurzeit als Menno Simons zum Ältesten in Groningen 1537 eingesetzt worden war, war Dirk Philips nämlich bereits Ältester in Appingedam. Obbe Philips behauptete in seinem späteren Geständnis, dass nur sein Bruder ihn in seiner Opposition gegen die wilden Prophezeiungen und die Militanz, die im Königreich zu Münster weitverbreitet war, unterstützt hatte. Das aber dürfte eine Übertreibung gewesen sein, denn Obbe war wohl mit Sicherheit an der berüchtigten Affäre von t´Zandt im Frühjahr 1535 zugegen, und Dirk könnte auch dabei gewesen sein. Sie versuchten zwar mäßigend ihre Stimme zu erheben, jedoch ohne größere Wirkung. Sowohl Dirk als auch sein Bruder mieden die Zusammenkunft der Täuferführer in Bocholt 1536, weil sie Vergeltungsmaßnahmen durch den militanten Jan van Batenburg fürchteten. Sie überließen das Feld David →Joris, der einen Konsens zustande brachte und für die nächsten Jahre der angesehenste Anführer der Täufer in den Niederlanden wurde. Darüber hinaus ist nur wenig über die Aktivitäten von Dirk Philips in diesem Jahrzehnt bekannt, obwohl bekannt ist, dass er mit Joachim Kukenbieter 1537 in Hamburg diskutiert haben muss, während sein Name auf einer Liste von Täuferführern aufgeführt zu sein schien, die Batenburg während seines Geständnisses 1538 vorlegte. In diesem Zeugnis wurde Dirk Philips gleich nach David Joris und Obbe Philips als die Hauptfiguren der täuferischen Bewegung aufgeführt.

Wie tief er auch in die radikale Phase des melchioritischen Täufertums verwickelt gewesen sein mag, so wurde Dirk Philips doch erst zu einem aktiven Anführer der Täufer, als Menno Simons in den späten 1530er Jahren auf den Plan getreten war. Dirk Philips wirkte als Ältester grundsätzlich nur in den nördlichen Niederlanden, Ostfriesland und Norddeutschland. Er unterstützte Menno Simons und versuchte Einfluss auf ihn auszuüben, besonders in der heiklen Frage der Meidung und Gemeindezucht. 1542 ordinierten Dirk Philips und Menno Simons Gillis van Aken und Adam Pastor zu Ältesten. Vier Jahre später nahm Philips mit Menno, van Aken, Bowens und Pastor an dem Gespräch mit dem Stellvertreter des David Joris, Nicholas Meyndertsz van →Blesdijk, teil. Dieses Gespräch konzentrierte sich auf die Frage, ob die äußeren Formen von Taufe und Kirche für den Gläubigen wichtig seien oder ob der Gläubigen an den katholischen oder reformierten Gottesdiensten teilnehmen könne, um Verfolgungen aus dem Wege zu gehen. Eine einvernehmliche Antwort wurde aber nicht gefunden. Im Gegenteil, die Diskussionen scheinen nur die wachsenden Unterschiede zwischen den rechtgläubigen Menno Simons und Dirk Philips auf der einen Seite und Adam Pastor auf der anderen ans Licht gebracht zu haben, vor allem wenn es um die Lehre von der Menschwerdung Christi ging. Das heizte eine Reihe von Gesprächen im Jahre 1547 an, in denen Dirk Philips die mennonitische Rechtgläubigkeit verteidigte, nämlich die Ablehnung der Kindertaufe und die Meidung der Gebannten, selbst wenn es sich dabei um den Ehepartner handeln sollte. In den letzten Gesprächen, die in Goch (Cleve) stattfanden, war klar, dass Adam Pastor die Gottheit Christi und die Trinität ablehnte. Daraufhin sprach Dirk Philips am Ende der Zusammenkunft den Bann über ihn aus. Im Anschluss daran verfasste er ein Lied und einen Brief gegen Pastors Lehrmeinungen, um 1549 hatte Dirk Philips auch eine kurze Schrift mit dem Titel Bekenntnis von der Absonderung geschrieben. Als Pastor sich über den Bann beklagte, willigten Dirk Philips und Menno Simons darin ein, noch einmal mit ihm ein Gespräch zu führen, dieses Mal 1552 in Lübeck.

Irgendwann zwischen 1547 und 1553 ordinierten Menno Simons und Dirk Philips Leenaert Bouwens zum Ältesten, das war ein geschickter Schachzug, zumal Bouwens ein unermüdlicher Täufer in der Bewegung werden sollte. Um 1554 schien Dirk Philips in die Umgebung →Emdens gezogen zu sein. Er nahm an einem Treffen der mennonitischen Anführer in Wismar teil, dem damaligen Aufenthaltsort von Menno Simons. Auch hier war das Thema wieder der Bann im Zusammenhang mit der Frage nach der Heirat außerhalb der Kirche, das Tragen von Waffen, die Anrufung der Gerichte und nicht autorisierte Prediger. Obwohl die erhoffte Einheit sich nicht eingestellt hatte, wurden neun Artikel zusammengestellt. Ganz im Gegenteil, die Differenzen wuchsen nur an, vor allem zur Praxis der Meidung des Ehepartners. Dieses Thema erreichte seinen Höhepunkt 1557, als eine Entscheidung von Bouwens, eine fromme Ehefrau zu bannen, die sich geweigert hatte, ihren Ehemann zu meiden, die mennonitischen Ältesten zwang, ein Gespräch darüber in Harlingen zu führen. Hier schlug Dirk Philips sich auf die Seite von Bouwens gegen Menno Simons, und diejenigen, die die Frau unterstützt hatten, sahen sich selbst dem Bann ausgesetzt. In der Folge dieser Verschärfung der Bannpraxis bildeten einige Mennoniten, die in Nordholland wohnten, eine eigene Gruppe. Das waren die Waterländer, die dieses Thema auf gemäßigtere Weise behandelt wissen wollten. So hatten sich auch die hochdeutschen und schweizerischen Täufer entschieden. Als Antwort darauf veröffentlichten sowohl Menno Simons als auch Dirk Philips Schriften, in denen sie die härtere Gangart zur Frage des →Banns verteidigten. Kurz darauf sprachen Philips und Bouwens den Bann über alle Hochdeutschen aus. Um die Mitte dieses Jahrzehnts begab sich Dirk Philips von Emden nach Fresenburg, dem Wohnsitz von Menno Simons, und begann von dort aus, seine Schriften in großem Eifer zu veröffentlichen, obwohl eine Anzahl dieser Schriften bereits in handschriftlicher Form kursierten. Er fuhr fort zu reisen, besuchte Nordholland mindestens zwei Mal, um dort Älteste zu ordinieren, unter denen sich auch Jan Willems und Lubbert Gerrits befanden, die dann selber angesehene Anführer der Täufer werden sollten.

Als Menno Simons in den letzten Jahren seines Lebens gesundheitlich immer schwächer wurde, wurde Dirk Philips immer bedeutender. Er veröffentlichte eine stattliche Anzahl theologischer Traktate, die keinen Zweifel daran aufkommen ließen, dass nun die Stimme der mennonitischen Rechtgläubigkeit repräsentierte, vor allem seit dem Tod von Menno Simons 1561. In diesem Jahr kehrte Dirk Philips nach Emden zurück, um sich mit Bouwens zu beraten, und danach reiste er in die Niederlande weiter, wo er Quellenberichten zu Folge einige dreißig bis vierzig Gläubige in einem Utrechter Haus im Dezember getauft haben soll. Als er wieder nach Ostfriesland zurückgekehrt war, veröffentlichte er weiterhin theologische Traktate und behauptete seinen Führungsanspruch in den zunehmend zerstrittenen Gemeinden der Mennoniten. 1565 entstand eine anderer Streit, in dem Philips der Entscheidung über die Suspendierung von Bouwens als Ältestem vorsaß und die zu einer Verschärfung der Spaltungen unter den friesischen und flämischen Gemeinden führte. Während seiner letzten drei Lebensjahre bemühte sich Dirk Philips darum, die Risse zwischen den Gruppen der Täufer zu heilen. Er hatte dabei aber keinen Erfolg. Beide Seiten bannten sich schließlich gegenseitig, die strengen Friesen bannten sogar Dirk Philips. Wegen seiner Haltung zum Bann wurde Philips als wenig flexibel beschrieben. Er war auf der intensiven Suche nach der idealen Kirche, und das war in dieser Frage nicht gerade geeignet, Kompromisse zu finden. Seine letzte Schrift war ein Traktat über die Ehe (1568).

Die Veröffentlichungen dieses Täufers kreisten um die schwierigsten theologischen Themen: Taufe, Abendmahl, Menschwerdung Christi, Wiedergeburt, Bann und Meidung, Dienst der Prediger und Ehe. 1564 wurden seine Schriften in dem Enchiridion oft Hand-boecxken gesammelt veröffentlicht, und es ist dieses Werk, das die wichtigste Sammlung seiner Schriften für die Mennoniten wurde. In allen seinen Schriften hielt Philips strikt an der Heiligen Schrift fest; für ihn war das Wort in Jesus Christus Fleisch geworden. Sein Zugang zur Interpretation der Schrift war sicherlich christologisch ausgerichtet, während er das Alte Testament wie sein Bruder Obbe Philips auslegte: als eine Quelle, die die Ankunft Christi präfigurierte. Dirk Philips folgte dem melchioritischen Modell und hielt daran fest, dass Christus nichts an seiner menschlichen Natur von seiner Mutter Maria geerbt habe und daher ohne Erbsünde gewesen sei. Seine Menschheit war vielmehr diejenige vor dem Fall Adams, und diejenigen, die Reue zeigten und zum Glauben kamen, konnten an der menschlichen Natur Christi, nicht jedoch an seiner göttlichen teilhaben. Da Kinder nicht bewusst sündigen konnten, bevor sie das Alter der Unterscheidung von Gut und Böse erreichten, war die Kindertaufe ohne irgendeinen Nutzen. Dirk Philips sah in den Sakramenten Ordnungen oder Zeichen der Bereitschaft, Christus zu gehorchen und Teil des größeren Leibes Christi zu werden. Die wahre Gemeinschaft der Gläubigen war von der Welt abgesondert und sollte deshalb nicht das Schwert gebrauchen, um Einmütigkeit untereinander zu erzwingen. Die Kirchenzucht war vielmehr eine innere Angelegenheit, die durch die Praxis des Banns und der Meidung aufrechterhalten wurde, um den Ruf der Gemeinschaft zu schützen und den Sünder zu erlösen. Verfolgung und Martyrium waren Zeichen des wahren Glaubens.

Werke

F. Pijper (Hg.), De geschriften van Dirk Philipsz, Bibliotheca Reformatoria Neerlandica 10, The Hague 1914. - Dyck Cornelius J., William E. Keeney und Alvin J. Beachy (Hg.), The Writings of Dirk Philips, 1504–1568, Scottdale, Pa., und Waterloo, Ont., 1992. - Walter Klaassen (Hg.), Anabaptism in Outline. Scottdale, Pa., und Waterloo, Ont., 1981.

Literatur

P. Valkema Blouw, Drukkers voor Menno Simons en Dirk Philips, in: Doopsgezinde Bijdragen 17, 1991, 31–74. - Ders., Verslag van lopend onderzoek. Een onbekende vertaling van Dirk Philips' Traicté de quelques poincts (156 in :DoopsgezindevBijdragen 15, 1989, 149–150. - Alastair Hamilton, Sjouke Voolstra and Piet Visser (Hg.), From martyr to muppy: Avhistorical introduction to cultural assimilation processes of a religious minority in the Netherlands: the Mennonites, Amsterdam, 1994. - G. J. van Hiele, 'De duivel verzaken'. Onderzoek naar de doopleer van Bernhard Rothmann, Menno Simons en Dirk Philips, in: Doopsgezinde Bijdragen 19, 1993, 53–79. - Marja Keyser, Dirk Philips, 1504–1568. A Catalogue of his Printed Works in the University Library of Amsterdam. Nieuwkoop, 1975. - Jacobus ten Doornkaat Koolman, Dirk Philips. Vriend en Medewerker van Menno Simons, 1504 – 1568. Haarlem 1964. - Cornelius, Krahn, Dutch Anabaptism. The Hague, 1968. - W. J. Kühler, Geschiedenis der Nederlandsche Doopsgezinden in de zestiende eeuw. Haarlem, 1932. - A. F. Mellink, De Wederdopers in de Noordelijke Nederlanden, 1531–1544, Groningen, 1953. - John D. Rempel, Christology and the Lord's Supper in Anabaptism: A Study in the Theology of Balthasar Hubmaier, Pilgram Marpeck, and Dirk Philips, Scottdale, Pa., und Waterloo, Ont., 1992. - Douglas H. Shantz, The Ecclesiological Focus of Dirk Philips' Hermeneutical Thought in 1559: A Contextual Study, in: Mennonite Quarterly Review 60, 1986, 115–127. - Piet Visser, Broeders in de Geest, 2 Bde., Deventer 1988. - Ders., Mennonites and Doopsgezinden in the Netherlands, 1535–1700, in: A Companion to Anabaptism and Spiritualism, 1521–1700, hg. von John D. Roth and James M. Stayer, Leiden und Boston, 2007, 299–346. - Sjouke Voolstra, Het Woord is Vlees Geworden, Kampen, 1982. - Samme Zijlstra, Om de ware gemeente en de oude gronden: Geschiedenis van de dopersen in de Nederlanden 1531 – 1675, Hilversum, 2000.

Gary K. Waite

 
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