Smith, C. Henry

geb. am 8. Juni 1875 in der Nähe von Metamora, Illinois, gest. am 18. Oktober 1948 in Bluffton, Ohio, USA; mennonitischer Historiker.

Ein knappes Jahrhundert lang – vom Beginn seines Graduiertenstudiums 1903 bis zu seinem Tod im Jahr 1948 – war C. Henry Smith für die meisten Mennoniten in Nordamerika der Nestor der amerikanischen Mennonitengeschichte. Sowohl müttlerlicher- als auch väterlicherseits waren seine Großeltern aus Elsass-Lothringen, Frankreich, unter den ersten amisch-mennonitischen Pionieren, die zwischen 1829 und 1833 auswanderten und sich in Illinois ansiedelten. Smith wurde als Sohn des Ältesten (Bischofs) John Smith und dessen Ehefrau Magdalena Schertz Smith auf einer eigenen kleinen Farm in der Nähe von Metamora, Illinois, geboren. Sein Vater, ein weithin geachteter amisch-mennonitischer Gemeindeleiter, stand für eine Reihe von Änderungen, die sich unter den Amischen und Mennoniten im späteren 19. Jahrhundert vollzogen hatten. Diese Änderungen wurden von mennonitischen Historikern später als allgemeines „Erwachen“ (quickening) beschrieben. So wurde der junge C. Henry Smith von seinem Vater angeregt, eine akademische Ausbildung anzustreben und Lehrer auf dem Lande zu werden, auch sich für Reformen, wie sie in der Prohibition-Bewegung gefordert wurden, einzusetzen.

Smith wurde 1890 in der Metamora Mennonite Church getauft und heiratete 1908 Laura Joder aus Tiskilwa, Illinois. Ihnen wurden keine Kinder geboren. 1903 hatte Henry Smith den Bachelor of Arts an der University of Illinois und in demselben Jahr den Master of Arts in Geschichte an der University of Chicago erworben. Hier wurde er schließlich 1907 mit einer Dissertation über The Mennonites of America an derselben Universität promoviert. Er entschied sich für eine Laufbahn als Lehrer an mennonitischen Colleges. Er lehrte von 1896 bis 1900 am Elkhart Institute in Elkhart, Indiana, und von 1903 bis 1905 sowie von 1908 bis 1913 (der erste Dean von 1909 bis 1913) am Goshen College in Goshen, Indiana. Hier engagierte er sich auch für die Reformen wie die Bemühungen um die Prohibition und die „Men and Religion Forward Movements“. Er hielt ein Leben lang am mennonitischen Friedenszeugnis fest. Um 1912 nahm er sich der Probleme mennonitischer Ökumenizität an und unterstützte die „Einigungs"-Bewegung in der Kirche. Das veranlasste ihn, Goshen College 1913 zu verlassen, um an das Bluffton College überzuwechseln, das mit der General Conference Mennonite Church verbunden war. Dort lehrte er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1946 Geschichte und Politik. Zwischendurch lehrte er von 1922 bis 1923 am Bethel College, Newton, Kansas.

Die wichtigsten Beiträge hat Smith für die mennonitische Kirche als akademischer Lehrer geleistet. Seine größeren Bücher über Mennoniten waren aus mehreren bemerkenswerten Gründen besonders wichtig. Er war fraglos der beste Schriftsteller unter den Mennoniten und hatte eine umfangreiche Gesamtdarstellung der mennonitischen Geschichte vorgelegt, die sich auf beachtliche Weise durch ihren Schwung und ihre Kraft auszeichnete. Darüber hinaus nahm er mit anderen Historikern übrigens schon sechzig Jahre vor der Zeit die spätere „Polygenesis“-Deutung (→Täuferforschung) der täuferischen Anfänge voraus. Während er mit Harold S.→Bender aufgrund des beiderseitigen gemeinsamen Interesses am Sammeln von Quellen zur Täuferbewegung in Europa eng zusammenarbeitete (von beiden stammt auch die Anregung, das Mennonitische Lexikon ins Englische zu übersetzen und zur Mennonite Encyclopedia zu erweitern; außerdem war er der erste Präsident der Mennonite Research Fellowship) und trug dazu bei, dass die mennonitischen historischen Bibliotheken in den USA anwuchsen (besonders in Goshen und in Bluffton), wichen doch beide scharf voneinander in den Deutungen der täuferisch-mennonitischen Geschichte ab. In einer harschen Rezension von Smiths Buch (1941) in Mennonite Quarterly Review kritisierten Bender und die mit ihm verbündeten Forscher Robert Friedmann und Ernst Correll 1942 und 1944 die schlampige Arbeitsweise Smiths (eine angemessene Kritik) und die Vernachlässigung der Geistesgeschichte. In einer längeren Erwiderung verteidigte Smith seine Forschungsarbeiten und beteuerte, dass er die Geistesgeschichte aus Gründen historischer Objektivität, der er sich verschrieben habe, hinten an stellte. Im Grunde waren die Forschungsperspektiven beider klar: Bender orientierte sich an der „Alt“- oder Mennonite Church, während Smith aus der Sicht derjenigen schrieb, die er „Fortschrittliche“ nannte, der General Conference Mennonite Church.

Neben seiner Lehrtätigkeit und schriftstellerischen Arbeit sammelte Smith ein kleines Vermögen an, teils durch geschickte Geldanlage und teils als Gründer oder Mitbegründer von zwei Banken in Bluffton, Ohio. Dieser Wohlstand ermöglichte es ihm, 1924 und 1936 ausgedehnte Forschungsreisen in Europa zu unternehmen und Bücher zu sammeln, die für das Mennonitentum relevant waren. Ebenso reiste er auf langen Fahrten mit dem Auto kreuz und quer durch Nordamerika. Er war ein volkstümlicher Redner mit einer gut ausgebildeten internationalen Weltsicht. Zwischen 1939 und 1941 hielt er sogar eine Serie von Rundfunkansprachen über europäische und asiatische Angelegenheiten in einer lokalen Radiostation. 1948 erlag er einem Krebsleiden.

Schriften (Auswahl)

The Mennonites of America, Scottdale, Pa., 1909). - The Mennonites: A Brief History of Their Origin and Later Development in both Europe and America, Berne, Indiana, 1920. - The Coming of the Russian Mennonites: An Episode in the Settling of the Last Frontier, 1874–1884, Berne. Indiana, 1927. - The Mennonite Immigration to Pennsylvania in the Eighteenth Century, Norristown, Pa., 1929. - Christian Peace. Four Hundred Years Mennonite Peace Principles and Practice, Newton, Kans., 1938. - The Story of the Mennonites, Berne, Indiana, 1941, 2. Aufl. 1945, weitere Auflagen überarbeitet von Cornelius Krahn; kürzlich wurde die 5. Auflage wiederabgedruckt von Wipf and Stock Publishers, Eugene, Oregon. - Deutsche Ausgabe: Die Geschichte der Mennoniten, übers. von Abraham Esau, bearb. und erweitert von Cornelius Krahn, Newton, Kans., 1964. - Mennonite Country Boy: the Early Years of C. Henry Smith, Newton, Kansas, 1962.

Literatur

Harold S. Bender and Ernst Correll, C. Henry Smith's The Story of The Mennonites, in: Mennonite Quarterly Review XVI, 1942, 270–275. - C. Henry Smith, C. Henry Smith's The Story of The Mennonites: A Response from C. Henry Smith, in: Mennonite Quarterly Review XVII, 1943, 246–252. - Robert Friedmann, On Mennonite Historiography, on Individualism and Brotherhood, Mennonite Quarterly Review XVIII, 1944, 117–122. - C. Henry Smith, II. On Mennonite Historiography: A Communication from Dr. C. Henry Smith, in: Mennonite Quarterly Review XVIII, April, 1944, 122–125. - Harold S. Bender, C Henry Smith: A Tribute; Willard H. Smith, C. Henry Smith, 1865–1948: A Brief Biography, und Nelson Springer, A Bibliography of the Writings of C. Henry Smith, alle Beiträge in: Mennonite Quarterly Review XXIII, 1949, 5–21. - Cornelius Krahn, C. Henry Smith 1875 – 1948, in: Menonitisches Jahrbuch 1949, 42. - N. E. Byers, C. Henry Smith as I Knew Him; und Carl M. Lehman, Smith as a Business Man, in: Mennonite Life, 5, April 1950. - Keith L. Sprunger, C. Henry Smith's Vision of Mennonite History, in: Mennonite Life 50, 1995, 4.

Lexikonartikel: Harold S. Bender, Smith, C. Henry, in: Mennonitisches Lexikon, Bd. 4, 193 f. (ebenso: Mennonite Encyclopedia, Bd. 4, 552 f.).

Perry Bush

 
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