Enkenbach (Pfalz)

1. Anfänge

Die Anfänge und schließlich die Gründung der Mennonitengemeinde verweisen auf die politische und gesellschaftliche Situation Deutschlands unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Etwa 20.000 mennonitische Flüchtlinge waren in verschiedenen europäischen Regionen verstreut und kamen nun in das damalige „Westdeutschland“. Mit Hilfe des nordamerikanischen →Mennonite Central Committee (MCC) und des 1946 gegründeten Hilfswerks der →Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden wurde mit der Sammlung dieser Flüchtlinge bzw. der Vertriebenen begonnen, die meist aus Westpreußen stammten. Einer solchen „Sammlung“ dienten auch die Einrichtung des Mennonitischen Altersheims Friedenshort 1950, wenig später einer Wohnsiedlung und einer Nebenerwerbssiedlung in Enkenbach durch den 1953 gegründeten Verein Mennonitische Siedlungshilfe. Diese Häuser wurden weitgehend von den „→Paxboys“ errichtet, die, vermittelt vom MCC aus den USA und z. T. aus Kanada, hier einen „Friedensdienst“ leisteten. Die Siedlungsstraßennamen wie Weichsel- und Nogatstraße verweisen auf die westpreußische bzw. Danziger Herkunft ihrer Bewohner.

2. Gründung und Entwicklung

Die Mennonitengemeinde Enkenbach e. V. wurde am 16. Mai 1956 gegründet. Aus der ursprünglichen Altersheim-Gemeinde erwuchs im anfänglichen Verbund mit der Mennonitengemeinde Sembach die Gemeindegruppe Enkenbach/Neudorferhof, deren Sinn die Anstellung und Finanzierung eines gemeinsamen Pastors war. Trotz dieser Gemeindestruktur sind diese beiden Gemeinden selbstständig, auch wenn sie bis heute in der Regel von einem Pastor betreut werden. „Die Gemeinde Enkenbach ist eine Ortsgemeinde mit einer großen Mitgliederzahl, wo auch der Pastor seinen Wohnsitz hat. Die Gemeinde Neudorferhof ist eine fünfmal kleinere, weit zerstreute Gemeinde“ (Klaus Penner, Red., 25 Jahre, 64). Die besondere Struktur dieser Enkenbacher Gemeinde ergibt sich aus der meist nachbarschaftlichen Wohnnähe ihrer Mitglieder. Hervorzuheben ist auch eine besonders große Bereitschaft zu vielfältiger ehrenamtlicher Tätigkeit in der Gemeinde. Im Oktober 1957 zählte die Gemeinde etwa 300 (getaufte) Mitglieder, heute sind es 265. Wie in den meisten anderen Gemeinden der →Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) ist die Mitgliederzahl rückläufig. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der demografischen Entwicklung und im Wegzug von Gemeindemitgliedern an weit entfernt liegende Orte. Auch lassen sich nicht mehr alle in der Gemeinde aufgewachsenen Jugendlichen taufen. Schon bald zeigte sich die Notwendigkeit des Baues eines Gemeindehauses. Nach anfänglichen Schwierigkeiten begann der Bau mit der tatkräftigen Arbeit der Paxboys 1956; schon im Oktober 1957 konnte dieses Haus mit dem großen Kirchenraum und einer Orgel (diese 1979), mit mehreren kleineren Sälen bzw. Räumen eingeweiht werden. Ab 2006 wurde das Gemeindehaus zu einem „Gemeindezentrum“ mit einer leistungsfähigen Küche und verschiedenen Funktionsräumen umgebaut.

Das Gemeindeleben wurde in den ersten Jahrzehnten von höchst verdienstvollen Altersheim-Leitern bestimmt (wie Heinrich Bartel, Paul Kliewer, Herbert Rexin, Jakob und Lena Redekopp aus Paraguay, Burkhard Driedger), generell von den Ältesten der Gemeinde (Abraham Wiens, Bernhard →Kopper, Lic. E. →Händiges u. a. ), schließlich den gewählten Laien-Predigern (Gerhard Fieguth sen.) und den Pastoren Gerhard →Hein (1953 – 1958), Horst Heidebrecht (1958 – 1963, 1998 – 1999), Dr. J. S. →Postma (1963 – 1967), Hugo Scheffler (1968), Dr. Hans-Adolf Hertzler (1968 – 1973), Abram Enns (1973 – 1991), Volker Müller (1991 – 1998), Werner Funck (1999 – 2011) und seitdem Rainer Burkart. 2009 wurde eine halbe Stelle für Jugendarbeit eingerichtet. Eine Gemeindesatzung regelt die Organisation; die Leitung hat ein Vorstand aus mindestens sieben Personen, dessen Mitglieder in der Regel alle vier Jahre gewählt werden.

Weil die Gemeinde, anders als die anderen Pfälzer Mennonitengemeinden, fast ausschließlich aus Flüchtlingen bzw. Vertriebenen sowie deren Nachkommen besteht, fiel es ihr zunächst schwer, sich in die regionale Gemeinschaft der Mennoniten zu integrieren. Das ist heute anders. Die Gemeinde versteht sich als aktiver Teil der →Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden. Sie ist auch personell seit Jahren stark in den entsprechenden Gremien vertreten. Mehrfach war die Gemeinde der Ort für größere überregionale mennonitische Veranstaltungen, wie die →Mennonitische Europäische Regionalkonferenz 1981 oder die deutschen Mennonitischen Gemeindetage 1987 und 2011.

Durch die enge Verbindung zu dem bis 2005 in mennonitischer Verantwortung betriebenem Altenheim kamen immer wieder junge Menschen aus Nord- und Südamerika als Freiwillige oder Trainees nach Enkenbach und befruchteten das Gemeindeleben. Manche sind geblieben und geben der Gemeinde bis heute einen gewissen internationalen Charakter, der ihr gut tut.

Auch die Einrichtung mennonitischer Altersheime (wie Leutesdorf, Pinneberg und 1950 Enkenbach) durch den nun gegründeten Verein Mennonitische Altersheime e. V. entsprang der durch Flucht und Vertreibung westpreußischer Mennoniten gegebenen Notlage. Es zeigte sich nämlich, „dass unsere Heime für die Alten und Hilflosen aus den Reihen der Heimatvertriebenen eine besondere Bedeutung haben“ (Klaus Penner, Red., 25 Jahre, 66).

Theologisch steht die Gemeinde eher einem liberalen Mennonitentum nahe und wird von der theologischen Herkunft ihrer jeweiligen Prediger geprägt. Einige Gemeindemitglieder sind aber auch evangelikalen Strömungen, wie der Evangelischen Allianz gegenüber, aufgeschlossen. Auch gemäßigt charismatische Strömungen kommen durch das Liedgut aus der überregionalen Jugendarbeit zum Tragen.

In den frühen 1990er Jahren ging die Gemeinde durch eine Krise, bedingt durch die Amtsführung des Pastors, mit schweren internen Auseinandersetzungen, in der viele Verletzungen entstanden sind. Manche haben sich in dieser Zeit zurückgezogen oder sind ausgetreten. Aber der Wille zum Zusammenbleiben war stark ausgeprägt, und so konnte die Gemeinde diese schwierige Zeit überstehen.

3. Aktivitäten

Generell kann gesagt werden: „Ein reges Gemeindeleben gestaltete sich bald über eine Vielzahl von Aktivitäten wie Chorarbeit, Jugend- und Kindergottesdienste, Frauenarbeit und Missionsunterstützung, Musik und Nähkreis“ (Gerhard Fieguth, Ein- und Auswanderungen, 184). Die durch größeren Zuzug in den sechziger Jahren schnell wachsende Gemeinde konnte in der Folgezeit eine Fülle besonderer Aktivitäten entwickeln. In manchen Hinsichten war hierfür die Basis eine meist reibungslose und schnelle Integration der Neubürger in die ebenfalls stark wachsende politische Gemeinde Enkenbach mit Arbeitsplätzen im Ort und in der näheren Umgebung. Beide Aspekte – Wachstum und Integration – führten zu einer Fülle besonderer Aktivitäten in der Gemeinde und im gesellschaftlichen Umfeld.

Erwähnt werden soll zunächst eine intensive Kinder- und Jugendarbeit. Der religiösen Betreuung der Kinder wurde von Anfang an eine besondere Bedeutung zuerkannt. In der „Sonntagsschule“, heute „Kindergottesdienst“ genannt, finden sich Kinder von etwa vier bis zwölf Jahren in mehreren Gruppen mit festen Mitarbeitern zusammen. Nach gemeinsamem Gottesdienstbeginn kommen sie in eigenen Räumen zusammen und bereiten sich darauf vor, sich „auf ihr Bekenntnis zu Jesus Christus und zur Gemeinde hin frei entscheiden“ zu können (Klaus Penner, Red., 25 Jahre, 44). Für die etwa Zwölf- bis Vierzehnjährigen wurde eine Jungschargruppe eingerichtet. Diese Jugendarbeit dient auch als „Glaubensunterweisung“ der Vorbereitung auf die Taufe. Die Jugendgruppen treffen sich regelmäßig an bestimmten Wochentagen, organisieren aber auch gesellige und sonstige Freizeitaktivitäten. Weitere Spiel- und Freizeitaktivitäten und zeitweise eine eigene „Jugendband“ bereichern das Angebot für Jugendliche. Andere Aktivitäten finden seit Jahrzehnten innerhalb der Gemeinde statt. Genannt seien verschiedene Gesprächskreise, Senioren- und Frauenkreise und manche anderen Veranstaltungen.

Eine besondere Förderung durch Gemeindemitglieder und z. T. die jeweiligen Pastoren erfahren musikalisch Interessierte, Sänger und zunehmend auch Instrumentalisten. Schon am Beginn der neuen Gemeinde, anfangs mit tatkräftiger Unterstützung der Paxboys, wurde ein mennonitischer Kirchenchor, ab 1972 der Mennonitische Chor Enkenbach gegründet, der auch bei ökumenischen Konzert-Abenden im Ort und in der Region große öffentliche Zustimmung findet. Neben der Pflege des überwiegend geistlichen Chorgesangs wird klassische und geistliche Musik aufgeführt.

Es war zu einem guten Teil die Leistung dieser Musik-Pflege, die zu vielen örtlichen und überörtlichen ökumenischen Aktivitäten führte. Seit Jahren reicht beispielsweise das jährlich stattfindende adventliche „Klosterkirchen-Konzert“ weit in die Pfalz hinein. Ökumenische Bibelwochen, der Weltgebetstag, gelegentliche jährliche gemeinsame Gottesdienste mit den katholischen und protestantischen Kirchengemeinden der Verbandsgemeinde ergänzen diese Tätigkeiten. Die Mitarbeit von Gemeindemitgliedern in unterschiedlichen übergemeindlichen mennonitischen Organisationen wie im Friedenskomitee, dem Hilfswerk, dem Mennonitischen Geschichtsverein ist selbstverständlich.

Beim fünfundzwanzigjährigen Jubiläum der Mennonitengemeinde Enkenbach würdigte sie ein ehemaliger Bürgermeister mit diesen Worten: „Mit größter Achtung blicke ich heute nach 25 Jahren auf die Entwicklung der Mennonitengemeinde zurück, die durch ihre Treue, Achtung und Fleiß das schwere Los ertragen hat und dadurch zu einem wesentlichen Bestandteil unserer örtlichen Gemeinde wurde“ (Klaus Penner, Red., 25 Jahre, 5).

4. Im Netzwerk mennonitischer Organisationen

Die Gemeinde Enkenbach unterhält mittelbar oder unmittelbar Verbindung zu einer Vielzahl mennonitischer Konferenzen, Organisationen und Werken.: Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Mennonitengemeinden (ASM), Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG), Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden, Mennonitische Weltkonferenz (MWK), Deutsches Mennonitisches Missionskomitee (DMMK), Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee (DMFK), Mennonitisches Hilfswerk (MH), Menndia (mennonitische Diakonie), Mennonitischer Geschichtsverein, Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).

Literatur (Auswahl)

Burkhard Driedger, Das Entstehen der Mennoniten-Gemeinde in Enkenbach – aus der Ferne betrachtet, unveröffentl. Manuskript 2009. - Johannes Driedger, Die westpreußischen Mennoniten in der Pfalz, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1954, 62–67. - Klaus Peter Driedger u. a. (Hg.), Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Mennonitengemeinde Enkenbach, unveröffentl. Manuskript 2006. - Klaus Peter Driedger („Zusammenstellung“): Vierzig Jahre Mennonitengemeinde Enkenbach, unveröffentl. Manuskript 1996. - Gerhard Fieguth, Ein- und Auswanderungen: Von Westpreußen in die Pfalz, in: Die Speisung der Hunderttausend. Die Hilfe der Mennoniten nach dem Zweiten Weltkrieg. Landau/Pfalz 1997, 177 – 185. - Horst Penner, Weltweite Bruderschaft, 5. Aufl., überarbeitet von Horst Gerlach, Kirchheimbolanden 1995. - Klaus Penner (Red.), 1956 – 1981. 25 Jahre Mennonitengemeinde Enkenbach, Enkenbach 1981.

Gerhard Fieguth

 
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