Menno-Kate

Am nördlichen Ortsausgang von Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein steht auf einer Anhöhe in der Feldmark unter einer mächtigen Linde eine reetgedeckte, weiß getünchte Kate: die Menno-Kate. Sie erinnert an die letzten Jahre, die Menno →Simons (1496 – 1561) in Fresenburg verbrachte. Nach einem heftigen Streitgespräch mit dem reformierten Theologen Martin Mikron war er 1544 aus Wismar ausgewiesen worden und hatte im Gutsdorf Wüstenfelde Unterschlupf gefunden. Hier konnte er unter dem Schutz des Bartholomäus von Ahlefeld in aller Ruhe an seinen Schriften arbeiten, brieflichen Kontakt mit seinen Gemeinden halten und sich mit seinen Mitältesten über strittige Fragen der Kirchenzucht beraten. Im Jahr 1557 reiste er noch einmal in die Niederlande, nach Franeker und Harlingen, und versuchte, im Streit um Bann und Meidung zu vermitteln (→Bann). Enttäuscht, müde und ausgezehrt kehrte er zurück.

Menno Simons lebte auf Gut Fresenburg mit einer Gruppe von →Täufern, die schon seit 1543 auf der Koppel Wüstenfeld am Gutshof Schadehorn siedeln durften. Das Dorf Wüstenfelde wurde im Dreißigjährigen Krieg zerstört. Ungewiss ist, ob die Kate, eventuell an anderer Stelle oder dort, wo sie einst gestanden hatte, wiederaufgebaut wurde. Vielleicht hat sie aber die Wirren des Krieges auch unversehrt überstanden. Ursprünglich war sie für den Drucker gebaut worden, der sich hinter den Initialen B. L. verbirgt. Mehr ist von ihm nicht bekannt. Möglicherweise hat auch Menno Simons hier gelegentlich gewohnt, um den Druck seiner Schriften zu überwachen. Die Druckerei soll ihm zwischen Frühjahr 1554 und spätestens Sommer 1556 zur Verfügung gestanden haben (Marja Keyser, The Fresenburg Press, 183). Während dieses kurzen Zeitraums wurden trotz des allgemeinen Publikationsverbots täuferischer Literatur vier seiner Schriften gedruckt: Eyne klare unwedersprekelike bekentenisse (…tegen) Joannes a Lasco (Schrift gegen den reformierten Reformator in Emden, 1554), Ein fundament unde klare anwisinge (2. revidierte Auflage des berühmten Fundamentbuchs von 1539/40) und die beigefügten Traktate Eyne seer lieflijcke meditation und Eyne troestelijcke vermaninge (einziger Druck, Ermahnung, die Verfolgung als Kennzeichen der wahren Kirche anzunehmen). Ob die Druckerei nach einer Anweisung des dänischen Königshofs, dessen Herrschaft Holstein unterstand, geschlossen oder aus technischen Gründen woanders wieder in Betrieb genommen wurde, ist bisher nicht herausgefunden worden (Marja Keyser, The Fresenburg Press, 186). Menno Simons blieb nach der Schließung der Druckerei in Wüstenfelde. Dort starb er am 13. Januar 1561 und soll in einem Kohlgarten beerdigt worden sein – fünf Kilometer von der heutigen Kate entfernt.

An Menno Simons erinnert seit 1902 ein Gedenkstein, den die Vereinigung der Mennonitengemeinden im Deutschen Reich neben der Menno-Kate aufstellen ließ, ebenso eine Bronzeplakette mit dem Bildnis des Täuferführers, die Kieler Studenten „als Dank für das von amerikanischen Mennoniten gespendete Milchfrühstück“ 1958 in einer erneuerten Form (Bildhauer Richard Kuöhl) anbringen ließen, nachdem die 1906 von der Hamburger Mennonitengemeinde gestiftete Reliefplatte im Dezember 1952 gestohlen worden war. Am Fuß des Gedenksteins sind nach und nach mehrere Steine niedergelegt worden, die von der Anhänglichkeit einiger nassauischen, pfälzischen, ost- und westpreußischen sowie bayerischen Gemeinden an Menno Simons zeugen oder den Dank russlanddeutscher Mennoniten für das Leben in Russland und die geglückte Flucht oder Umsiedlung aus Russland bekunden. Inzwischen steht die Kate, die dem Gutsbesitzer Freiherrn v. Jenisch gehört, unter Denkmalschutz. Sie wurde 1960 von der →Vereinigung der deutschen Mennonitengemeinden gepachtet und wird seit 1986 von einem Ausschuss des →Mennonitischen Geschichtsvereins verwaltet. Unter der Leitung von Otto Regier (Bad Segeberg) wurde in den frühen sechziger Jahren damit begonnen, sie zu restaurieren und zu einem kleinen Museum auszubauen, in dem Bücher, Landkarten und Bildmaterial über die wechselvolle Geschichte der Mennoniten ausgestellt werden. Am 6. Juni 1986 wurde die Menno-Kate der Öffentlichkeit vorgestellt, seit Dezember 1999 ist sie in einem verbesserten Zustand Besuchern aus aller Welt zugänglich.

Die alte Linde, die von Menno Simons gepflanzt worden sein soll, heißt im Volksmund „Menno-Linde“. Vor einigen Jahren haben Mennoniten sowohl in Wittenberg als auch neben der Menno-Kate bei Bad Oldesloe eine Buche gepflanzt. Beide Bäume bekräftigen die inzwischen erfolgte Aussöhnung zwischen den lutherischen Kirchen und den Gemeinden der Mennoniten.

Literatur

Christoph Bornhäuser, Leben und Lehre Menno Simons'. Ein Kampf um das Fundament des Glaubens (etwa 1496–1561), Neukirchen-Vluyn 1973. - Otto Regier, Gedenkstein der Umsiedler in Alt-Fresenburg, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1979, 111 f. - Ders., Unsere Mennokate. Eine Gedenkstätte, in: Mennonitische Blätter 5, 1985, 78 f. - Marja Keyser, The Fresenburg Press: An Investigation Pertaining to Menno Simons' Printing Office in Holstein, Germany, 1554–1555, in: Irvin B. Horst (Hg.), The Dutch Dissenters. A Critical Companion to Their History and Ideas, Leiden 1986, 179–186. - Susanne Woelck, Menno Simons in Oldersum und Oldesloe. „Häuptlingsreformation“ und Glaubensflüchtlinge im 16. Jahrhundert, in: Mennonitische Geschichtsblätter 1996, 11–33. - Hans-Jürgen Goertz, Menno Simons und die frühen Täufer, Bolanden 2011.

www.mennokate.de

Hans-Jürgen Goertz

 
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